Alternative Herangehensweise
Anders als andere Großstädte hat Wien erkannt, dass das Konzept einer vollumfänglich autogerechten Stadt weder umweltfreundlich noch praktisch – und auch nicht wirklich lebenswert – ist. Es wird darauf gesetzt, das Autofahren so unattraktiv wie nötig und die Nutzung des ÖPNV so leicht und kostengünstig wie möglich zu gestalten. In vielen anderen Großstädten ist die Reaktion auf Staus und Verkehrsverengungen der Bau von neuen Straßen und Nutzflächen für den motorisierten Individualverkehr. In Wien ist es umgekehrt. Hier werden Autofahrer nicht unterstützt, sondern „sabotiert“, um sie auf den öffentlichen Verkehr umzuleiten. Es werden z.B. systematisch Staus erzeugt, indem an Straßenbahnhaltestellen die Gehwege bis zu den Ausstiegen vorgezogen wurden, sodass Autofahrer warten müssen, bis das Ein- und Aussteigen beendet ist. Im Anschluss müssen sie dann umständlich eine Verkehrsinsel umfahren.
Das Einschränken von Autofahrern alleine reicht allerdings nicht aus. Auch dem ÖPNV-Konzept der Landeshauptstadt wurde frischer Wind eingehaucht. Ein Highlight ist hier, dass die Jahreskarte seit 2012 nur noch 365 Euro im Jahr kostet. Praktisch besteht also die Möglichkeit, für 1 Euro am Tag in Wien herumzufahren. Allerdings gilt diese Reglung nur, wenn man die Jahreskarte auf einmal zahlt. Zahlt man die Karte monatlich, so kommt man auf insgesamt 396 Euro pro Jahr. Das ÖPNV-Netzwerk ist nicht nur für die Nutzer tagsüber optimiert. Auch an die Nachtschwärmer wird gedacht. In der Nacht kommen neue, alternative Betriebsformen wie Ride-Pooling zum Einsatz. Sammelbusse können per Telefon bestellt werden und chauffieren die Fahrgäste von Sammelstelle zu Sammelstelle. Eine effiziente und besonders nachhaltige Lösung.
Auch in Sachen autonomes Fahren setzt die Stadt auf Fortschritt. In Wiens realem Zukunftslabor, „Der Seestadt“, ging im Juni 2019 der erste fahrerlose Autobus in Betrieb. Das Forschungsprojekt wird vom Verkehrsministerium im Rahmen des Programms Mobilität der Zukunft gefördert, da die Stadt erkannt hat, das autonomes Fahren das Potenzial bietet, Städte langfristig und nachhaltig zu verändern. Mittlerweile wurde die Flotte auf zwei Busse aufgestockt.
Durch den realen Test der Technologieinnovation soll ein Grundstein gelegt werden, um den Start für zukünftige, autonome Buslinien zu erleichtern.
Weiterhin Mobilität garantieren
Wien ist eine Stadt in ihrer vollen Blüte. Ihre Bevölkerung wächst und auch flächenmäßig dehnt sich die Stadt immer weiter aus. Der Mobilitätsstandard ist bereits hoch. Diesen allerdings auch bei erschwerten Anforderungen so zu halten, um den Wienerinnen und Wienern weiterhin effiziente Mobilitätslösungen garantieren zu können, stellt Verkehrsplaner vor eine große Herausforderung. Es bleibt weiter spannend, wie Wien in der Zukunft auf die Herausforderungen moderner Mobilität reagieren wird. Eins steht allerdings fest: In Sachen ÖPNV können sich andere Städte von Wien einiges abschauen – und wenn es der Mut ist, Verkehr anders zu denken.