Die Datenverarbeitung wird in der Verkehrsplanung immer wichtiger. Auch in einer s.g. Mobilitätsanalyse spielen Daten eine entscheidende Rolle, durch die Analyse können regionsspezifisch Mobilitätsbedürfnisse aufgedeckt werden. Wie genau funktioniert das?
Wenn es um die datenbasierte Transportplanung zur Etablierung neuer On-Demand-Lösungen geht, erfolgt unsere Analyse stets in fünf Schritten.
Schritt eins besteht darin, ein detailliertes Verständnis für die Struktur des Planungsgebiets zu entwickeln. Aus verschiedenen Datensätzen werden statistikbasierte theoretische Nutzer mit spezifischen Mobilitätsgewohnheiten und individuellen Routen generiert. Das Ergebnis ist ein sehr detailliertes, datengetriebenes Modell, das alle Aspekte der Mobilitätsnachfrage berücksichtigt. Als Nächstes modellieren wir für jeden einzelnen Nutzer die Fahrzeiten und die Gesamtattraktivität des öffentlichen Verkehrs und anderer Verkehrsmittel. Das Ergebnis umfasst eine Karte mit Gebieten, in denen die Erreichbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel schwierig ist und in denen ein nachfrageorientiertes Verkehrssystem den Nutzern einen besseren Zugang zu öffentlichen Verkehrsmitteln ermöglicht. Sobald ein potenzielles Betriebsgebiet identifiziert wurde, findet eine Betriebssimulation für verschiedene Szenarien statt. Das Ergebnis ist ein maßgeschneidertes Angebot für die gesamte Region, dass Flottengrößen, Betriebszeiten, das optimale Serviceniveau und viele andere Serviceeigenschaften beinhaltet. Dieses theoretische Optimum sagt jedoch nichts über die Wirtschaftlichkeit eines bedarfsgerechten Verkehrsangebots aus. Ein weiterer Schritt ist notwendig. Durch eine Sensitivitätsanalyse berechnen wir die Kosten-Ertrags-Situation für alle möglichen Betriebsparameter-Kombinationen.
Aufbauend auf einer Mobilitätsanalyse kann ein On-Demand-Service implementiert werden. Was ist der Nutzen eines solchen neuen, digitalen Angebotes?
In Städten können unsere Partner durch intelligent gepoolte Fahrten die Fahrzeit ihrer Fahrgäste reduzieren und die Kosteneffizienz und den Auslastungsgrad ihrer Fahrzeuge verbessern. On-Demand-Dienste können als Zubringer für den öffentlichen Verkehr genutzt werden, um eine bessere Anbindung an die Stadt zu erreichen. Der entscheidende Erfolgsfaktor in diesen Bereichen ist die Integration in das bestehende ÖPNV-System.
Auf dem Land können unsere Partner durch die Digitalisierung ihrer Angebote (digitaler Rufbus) kostenintensive Leerfahrten und Lücken in ihren Betriebszeiten reduzieren. Wo es wirtschaftlich sinnvoll ist, können On-Demand Shuttles einen Bus ersetzen. Mit modernen Bestellfunktionen wie einer zuverlässigen Vorbuchung oder einer ankunftsbasierten Buchungsfunktion und Pooling können sie zudem die Zahl der potenziellen Nutzer für ihre On-Demand-Linien und Sammeltaxis erhöhen.
Solche neuen Softwarelösungen können also die bestehenden Strukturen des öffentlichen Verkehrs stärken. Wie genau würde das in Großbritannien aussehen und wie würden die Nutzer am Ende davon profitieren?
Es ist wichtig, die Lücke der ersten und letzten Meile zu schließen. On-Demand-Dienste, die tief in das bestehende ÖPNV-System integriert sind und als ÖPNV-Zubringer fungieren, können in Großbritannien Orte stärker miteinander verbinden, bestimmte Orte enger an eine Metropolregion anbinden und Attraktivität den ÖPNV verbessern. Anhand von Echtzeitdaten können Mobilitätsbedürfnisse an den Bedarf des Nutzers angepasst werden. Das Ziel ist es stets, die Lebensqualität der Menschen vor Ort durch ein starkes Mobilitätsangebot zu verbessern.
Lass uns einen Blick in die Zukunft werfen: Wie wird sich deiner Meinung nach der ÖPNV-Markt entwickeln und welche Rolle wird die Kombination aus autonomem Fahren und On-Demand-Diensten spielen?
In der Mobilität von morgen werden öffentliche Verkehrsmittel, Fahrräder und verschiedene Formen von Mikromobilitätsangeboten immer beliebter. Es wird viel mehr Elektrofahrzeuge geben, die mit erneuerbarem Strom oder mit Wasserstoff betrieben werden; diese werden von den Menschen durch Sharing-Konzepte wie On-Demand-Dienste geteilt. Auch das Auto ist nicht aus der idealen Zukunftsvision verbannt, aber es wird so genutzt werden, dass es weniger davon gibt und dass es geteilt wird. Die heute bestehenden Dienste werden digitalisiert und eine vollständige Integration von On-Demand-Diensten in das bestehende öffentliche Verkehrssystem (z.B. als Zubringer) wird Standard sein.
Nimmt man zu all dem noch den Faktor „autonom“ hinzu, ergibt sich das vermeintliche Idealbild der Mobilität von morgen: Elektroautos, die selbstständig fahren, den Verkehr im Fluss halten und miteinander vernetzt sind. Mit „EVA-Shuttle“ hat ioki bereits einen per App buchbaren, autonomen On-Demand Service (Level 4) in der Stadt Karlsruhe gestartet.
Last but not least: Es gibt viele spannende Aspekte am Themenschwerpunkt der Mobilität. Was motiviert dich persönlich die Verkehrswende weiter voranzutreiben?
Als ich ein Teenager war, lebte ich in einem kleinen Dorf im Norden von Deutschland. Die Anbindung an den ÖPNV mehr als schlecht. Es gab einen Zug, der die Einwohner recht unregelmäßig in die nächstgrößere Stadt brachte, aber das Netz zwischen den Dörfern war sehr begrenzt und um meine Freunde in einem der Nachbardörfer zu besuchen, brauchte ich entweder 1,5 Stunden mit dem Zug oder 45 Minuten mit dem Fahrrad. Die Freizeitgestaltung war auf Grund der schlechten Anbindung eine große Herausforderung und ein Shuttleservice auf Abruf hätte mein Leben so viel einfacher gemacht. Nun, heute kann ich Städten und Gemeinden dabei helfen, ihren ineffektiven öffentlichen Verkehr umzugestalten und so nachhaltige und innovative Mobilitätslösungen voranzutreiben. Für mich ist das eine Herzensangelegenheit.