Hubers Ziel ist es, Hamburg als Brennpunkt der Güterströme in Nord- und Mitteleuropa als moderne Wirtschaftsmetropole aufzubauen. So versucht er die unterschiedlichen Mobilitätsvorstellungen der Menschen zu vereinen und ebenso ein nachhaltiges Konzept für die Umwelt zu entwickeln. Zudem ist er maßgeblich an der ITS-Strategie für Hamburg beteiligt.
ITS steht für Intelligent Transport Systems. Hierunter werden innovative Technologien zusammengefasst, welche die Mobilität effizienter, sicherer und komfortabler machen sollen. 2016 wurde mit der sogenannten ITS-Senatsstrategie beschlossen, wie die Stadt Hamburg in Zukunft digitale Techniken verwenden möchte, um einen effizienten, sicheren, umweltfreundlichen und komfortablen Verkehr zu etablieren. Hierzu sind bereits ca. 40 Projekte angelaufen. Im Juni 2018 erschien schließlich ein Fortschrittsbericht der ITS-Strategie inklusive definierter Ziele sowie Handlungsfelder bis 2021 und 2030.
Vor diesem Hintergrund haben wir nun Martin Huber zu Aspekten der Mobilität in Hamburg befragt:
Herr Huber, Sie geben an, dass Sie das Ziel verfolgen, Hamburgs Verkehrsnetz den Ansprüchen einer modernen Wirtschaftsmetropole anzupassen und gleichzeitig die vorhandene Infrastruktur in gutem Zustand zu erhalten. Hierfür schlagen Sie die sogenannte ITS-Strategie vor: Wie sieht diese genau aus und welches Ziel verfolgen Sie hier?
Vorab: Ohne gute Infrastruktur gibt es keine gute Mobilität. Digitalisierung genügt nicht. Aber: Hinter dem Stichwort Digitalisierung verbergen sich viele Chancen, die Mobilität der Menschen und der Güter zu vereinfachen und zu verbessern. Wir können gewaltige Datenmengen in Echtzeit erfassen, verarbeiten und an beliebig viele Menschen und Rechner weiter verteilen.
Im Klartext: Wir wollen und werden:
- den Zustand und die Benutzung der Infrastruktur besser erfassen und bewerten,
- den tatsächlichen Verkehr besser lenken,
- Mobilität bedarfsgerecht anbieten,
- einfache und verlässliche Bezahlsysteme betreiben,
- gute und verlässliche Information für alle anbieten,
- dafür sorgen, dass automatisiertes Fahren den Verkehr sicherer macht.
Gibt es noch weitere Formen der Digitalisierung, die Ihrer Meinung nach, stärker im Verkehr angegangen werden sollten?
Mobilität ist ein Teil des täglichen digitalen Lebens der Menschen. Immer mehr Leute orientieren sich in allen Verkehrslagen mit ihrem Smartphone und besorgen sich ihre Mobilität mit dem Smartphone. Das geht vom Busticket über Ridesharing, Stadträder, E-Roller und Zugfahrscheine bis zu Flugtickets. Auch die Bedienungselemente der Verkehrsmittel integrieren die Smartphones. Meine These: Medien, Kommunikation, Lifestyle, Mobility, Payment, Shopping, Delivery, Routing … Alles wird Digitaler und alles wächst enger zusammen.
Das alles ist in Großstädten schon selbstverständlich, ich bin aber sicher, dass die Digitalisierung ihr eigentliches Potenzial in den ländlichen Räumen entfalten kann, wo sie es ermöglicht, dass verstreute Mobilitätswünsche gebündelt und damit erfüllbar werden.
In einer Stadt wie Hamburg werden große demographische Wandel beobachtet. Bis 2030 könnte die Einwohnerzahl auf bis zu 2 Millionen Menschen anwachsen. Wie beurteilen Sie hier den Einfluss auf den ÖPNV und welche Maßnahmen müssen bis dahin ergriffen werden?
Schon heute fahren jeden Tag mehr Leute mit der S – Bahn über die Elbe als auf der Autobahn durch den Elbtunnel. Dabei ist die A7 in Hamburg der Autobahnabschnitt mit der zweithöchsten Belastung in ganz Deutschland. Nicht nur Hamburg wächst, sondern auch die wachstumsstarken Landkreise in der Umgebung Hamburgs, in Niedersachsen, in Schleswig-Holstein und in Mecklenburg-Vorpommern. In unserer Metropolregion leben bereits heute über 5 Millionen Menschen.
Das sind nicht nur mehr Köpfe, diese Menschen haben auch persönlich und als Wirtschaftssubjekte wachsende, sehr unterschiedliche und unter Umständen stündlich wechselnde Mobilitätsbedürfnisse. Mit dem Rad zur Bahn, mit dem E-Roller zum Büro, mit dem Stadtrad zum Sport, mit dem Sharing Auto zum Ortstermin, mit der Bahn ins Restaurant und mit dem Taxi nach Hause. Für viele Menschen heute schon Realität.
Dazu brauchen wir mehr Infrastruktur auf Schiene und Straße. Wir müssen aber auch daran arbeiten, dass mehr Menschen in einem Fahrzeug sitzen, wenn wir in einer wachsenden Stadt beweglich bleiben wollen.
Dazu müssen wir mehr und besseren ÖPNV anbieten, aber auch andere Systeme, die das Mitfahren erleichtern.
Wenn wir schon über die Zukunft sprechen, wie stellen Sie sich die Mobilität im Jahr 2030 vor? Wenn Sie einen Wunsch frei hätten, der sich bis dahin erfüllen sollte, welcher wäre das?
2030 wird vieles noch ähnlich sein wie heute. Manches sogar schlechter. Trotz aller Anstrengungen zur Verbesserung der Öffentlichen Verkehrsmittel müssen wir davon ausgehen, dass der PKW-Bestand in Deutschland noch bis zur Mitte des nächsten Jahrzehnts ansteigen wird. Auch in Hamburg steigt die Zahl der zugelassenen Fahrzeuge absolut an, während der Motorisierungsgrad pro Kopf statistisch leicht absinkt. Was es geben wird, sind etablierte Sharing Systeme und – da bin ich Optimist – vereinfachte Bezahlsysteme.
Wenn ich mir etwas wünschen darf, dann ist es etwas, das die meisten Menschen ärgern wird: Ich wünsche mir, dass die Kosten der Mobilität mehr als heute von den Nutzern bezahlt werden.
Es muss allen klar werden, dass gute Mobilität keine Selbstverständlichkeit ist, sondern ein kostbares Gut. Sie entsteht nicht von selbst, sondern ist das Ergebnis der täglichen Anstrengung hunderttausender hochqualifizierter Arbeitskräfte. Sie bedarf hoher Investitionen in Infrastruktur, Fahrzeuge und Technologie. Außerdem verbraucht sie sehr viel Energie, auch wenn es 2030 vielleicht sauberere Energie ist als heute.
Das alles kann es nicht umsonst geben. Wer kostenlosen oder billigeren Verkehr fordert oder meint, der Steuerzahler müsse alles bezahlen, der wird schlechte Mobilität bekommen und tut der Umwelt einen Bärendienst.
Und zum Schluss: Wie stehen Sie zu Ridepooling-Lösungen als Ergänzung zum ÖPNV?
Ridepooling ist das älteste aller Verkehrsmittel. Wer Glück hatte durfte schon bei den alten Griechen auf dem Ochsenkarren mitfahren.
Postkutschen, Eisenbahnen, Busse, alles Ridepooling-Modelle. Den Unterschied macht das Smartphone und die schnelle Datenanalyse. Heute haben wir die Möglichkeit, eine individuelle Verkehrsnachfrage in Echtzeit mit einem konkreten Verkehrsangebot zusammenzubringen und damit Fahrten zu optimieren.
Dort wo heute ein Bus nicht rentabel ist, kann heute ein Ridepooling System erfolgreich sein. Auch Leute, die nie im ÖPNV mitgefahren wären, werden diese Systeme nutzen, wenn sie intuitiv bedienbar und attraktiv sind.
Ich glaube, Ridepooling wird Teil des ÖPNV werden, es werden sich aber auch erfolgreiche Pooling-Systeme neben dem ÖPNV etablieren.
Was wir nicht brauchen, sind Privatautos, die auf den Straßen herumlungern, in der Hoffnung, von Vermittlungsdiensten, die keine eigene Verantwortung übernehmen, einen Fahrauftrag zu bekommen. Das führt, wir haben es in den USA gesehen, nicht zu weniger Verkehr, sondern zum Zusammenbruch des Verkehrs. Ich hoffe, das wird bei der Reform des Personenbeförderungsrechts verstanden werden.
Unsere Verantwortung ist es, die Entwicklung so zu begleiten, dass das Verkehrssystem insgesamt nicht geschwächt, sondern gestärkt wird. Dabei müssen wir auch die traditionellen Verkehrsdienstleister – Bus und Taxi – mitnehmen und ihnen dabei helfen, sich selbst zu modernisieren.
Bild (alle Recht vorbehalten): Martin Huber