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28. Jun 2023
/ Germany
NACHGEFRAGT bei Dennis Schöne
Vor zwei Jahren stellte die Stadt Gronau im Münsterland ihre Stadtbuslinie komplett auf ein tarifintegriertes On-Demand-Konzept um. Seitdem fährt das G-Mobil flexibel und nach Buchung über 130 Haltepunkte an und bedient damit deutlich mehr Haltestellen als der Vorgänger „StadtBus“. Aber wie kommt das Angebot an und sollen On-Demand-Verkehre nicht eigentlich den Linienverkehr ergänzen statt ersetzen? Wir haben bei einem der Macher des G-Mobils, besser gesagt bei Projektleiter Dennis Schöne vom Verkehrsmanagement der Regionalverkehr Münsterland GmbH (RVM) nachgefragt.

Am 1. Juni 2023 wurde das G-Mobil zwei Jahre alt. Wie läuft das Angebot und was hat sich in den letzten beiden Jahren getan?

Wir sind sehr zufrieden, wie das Angebot aktuell läuft und wie es sich entwickelt hat. Wir sind mit wenigen hundert Fahrgästen pro Woche gestartet und befördern seit mittlerweile einem Jahr wöchentlich rund 1.600 Personen, teilweise über 1.700. Viele der heutigen Fahrgäste haben laut einer Befragung zuvor den PKW genutzt, verzichten mittlerweile aber weitestgehend darauf. Die Steigerung hängt auch damit zusammen, dass der Betrieb nach sieben Monaten stark ausgeweitet wurde. Am Anfang haben wir das vom StadtBus erschlossene Gebiet zu den gleichen Betriebszeiten bedient. Im Januar 2023 wurde das Gebiet um drei zentrale Haltestellen im Stadtteil Epe erweitert, die dortige Flächenerschließung übernimmt nach wie vor der BürgerBus. Zudem haben wir die wöchentlichen Betriebszeiten um mehr als 50 Prozent ausgeweitet und den Fahrzeugeinsatz erhöht. Vor kurzem wurden die Zeiten aufgrund geringer Nachfrage jedoch wieder etwas reduziert.

In den letzten beiden Jahren haben wir gelernt, dass die Etablierung eines On-Demand-Verkehrs nichts ist, was man einmal im Vorfeld plant und anschließend von selbst weiterläuft. Zum einen fehlen bei einer so neuen Verkehrsform natürlich die Erfahrungswerte, um von vorneherein ein möglichst optimales Ergebnis zu erzielen. Zum anderen ist schnell deutlich geworden, dass so ein Verkehr nicht nur als solcher sehr dynamisch ist, sondern dass auch der Betrieb fortlaufend aufgrund gesammelter Erfahrungen und durch das Feedback von Fahrerpersonal und Fahrgästen optimiert werden kann. Das bedeutet, dass auch der Betrieb fortlaufend durch die gesammelten Erfahrungen und das Feedback von Fahrpersonal und Fahrgästen optimiert werden kann. Anders als bei einer starren Buslinie, die nicht groß vom Linienweg abweichen kann und meist feste Umlaufpläne einhalten muss, haben wir im Laufe der Zeit immer wieder kleinere Anpassungen am G-Mobil vorgenommen.

Wir haben zum Beispiel aufgrund von Kundenfeedback mehrere virtuelle Haltestellen nachträglich eingerichtet und teilweise an geeignetere Standorte verschoben. Beim Fahrzeugeinsatz oder wie zuletzt bei den Betriebszeiten gab es kleinere Änderungen, weil sich die Nachfrage durch die Erschließung neuer Kundengruppen nicht so verteilt hat, wie wir es vom StadtBus kannten. So kam von Fahrgästen der Wunsch, die Haltestellen an den Schildern und in der App zu nummerieren und je nach Straßenseite unterschiedlich zu benennen und kenntlich zu machen, damit Nicht-Nutzer der App diese jederzeit klar zuordnen können.

Das sind alles Entwicklungen, die in einem regulären Busbetrieb in der Form nicht nötig (und meist nicht möglich) gewesen wären. Das macht einen On-Demand-Verkehr um einiges komplexer, aber bietet durch die vielen Optimierungsmöglichkeiten gleichzeitig ein enormes Potential, so viele Mobilitätsbedürfnisse wie möglich zu erfüllen.

Normalerweise ergänzen On-Demand-Angebote den Linienverkehr, aber in Gronau ersetzt das G-Mobil den früheren Stadtbus. Warum hat man sich dafür entschieden und würden Sie das nochmal machen?

Ja, wir würde das definitiv wieder so machen. Das zeigt sich daran, dass sich die Politik einstimmig entschieden hat, das G-Mobil trotz der höheren Kosten auch ohne die Unterstützung durch Fördermittel fest als Stadtverkehr zu etablieren. Vor der Pandemie haben rund 1.100 Fahrgäste den StadtBus wöchentlich genutzt, die Zahlen haben wir bereits vor der Angebotserweiterung erreichen können.

Tatsächlich sind die reinen Zahlen nicht das, was den Verkehr attraktiver macht, sondern die deutlich höhere Qualität. Früher war es nur möglich, bestimmte Teile des Stadtgebiets im Stundentakt zu erreichen. Wollte man beispielsweise von West nach Ost, war ein Umstieg am Bahnhof nötig. Viele Fahrgäste haben das Angebot zwangsweise genutzt, mussten sich aber immer auf lange Fahrzeiten und einen Umstieg einstellen. Durch das G-Mobil sind jederzeit Fahrten innerhalb des gesamten Stadtgebiets möglich, ohne Umstiege und starre Abfahrtszeiten. Manchmal muss man zwar auch hier etwas Geduld mitbringen oder seine Fahrt frühzeitig planen, um ein G-Mobil zu seiner Wunschzeit zu bekommen, aber diese verhältnismäßig kleine Hürde nimmt so gut wie jeder Fahrgast gerne in Kauf. 

Konzeptionell haben wir uns dazu entschieden, von Beginn an das gesamte Stadtgebiet anzufahren. Das Gewerbegebiet Ost war dabei vorher durch den StadtBus nicht erschlossen. Für Berufspendler hat sich die Situation enorm verbessert. Beim Fahrzeugeinsatz haben wir uns an den Erfahrungen aus Projekten anderer Verkehrsunternehmen orientiert. Wir haben ehrlicherweise nicht damit gerechnet, dass die Nachfrage in den eigentlichen Schwachlastzeiten des StadtBusses beim G-Mobil plötzlich am höchsten ist. So haben wir uns frühzeitig entschieden, mit der Gebietserweiterung in diesen Zeiten fünf anstatt der ursprünglich geplanten drei Fahrzeuge einzusetzen. Das zeigt, dass wir einige neue Kundengruppen erschließen konnten.

Im Mai 2021 war das G-Mobil in den Tagesthemen und wurde damit über die Stadtgrenze hinaus bekannt. Hatte das Einfluss auf die Nutzung des Angebots?

Tatsächlich hatte der Beitrag in den Tagesthemen keinen merklichen Einfluss auf die Nutzerzahlen des G-Mobils. Allerdings gab es zu dem Zeitpunkt wahrscheinlich kaum Bürger, die das Produkt noch nicht kannten. Dadurch, dass das G-Mobil neben dem BürgerBus fast den gesamten ÖPNV der Stadt ausmacht und die Fahrzeuge auffällig beklebt sind, ist es kaum möglich, diese nicht zu kennen. 

Allerdings hatten wir den Eindruck, dass der Beitrag dafür gesorgt hat, das G-Mobil überregional bekannter zu machen und für eine positive Wahrnehmung zu sorgen. Zu Beginn gab es einige Stimmen, u. a. aus Fachkreisen, die dem Produkt skeptisch gegenüberstanden. Sie konnten sich nicht vorstellen, dass die komplette Substitution eines Stadtbusses durch einen On-Demand-Verkehr funktionieren kann. Ich glaube, dass sich die Wahrnehmung unter anderem durch diesen und andere Beiträge stark verbessert hat und wir viele Skeptiker von dem Konzept überzeugen konnten.

Das G-Mobil kann mittlerweile auch per Web gebucht werden, warum war das für die Stadt Gronau wichtig?

Die Webbuchung ist in Gronau nicht zwingend notwendig, aber eine gute Ergänzung zu den bestehenden Buchungsarten. Neben der App-Buchung bieten wir eine telefonische Anmeldung an, die von rund 10 Prozent der Fahrgäste in Anspruch genommen wird. Das G-Mobil wird von vielen älteren Menschen genutzt, die kein Smartphone besitzen, deshalb sind alternative Buchungswege unumgänglich. Mit der Webbuchung bieten wir jenen Fahrgästen ohne Smartphone, aber mit Internetanschluss, eine unkomplizierte Möglichkeit, Fahrten selbst zu buchen und zu verwalten, ohne den eher umständlichen und zeitintensiveren Weg über das CallCenter zu gehen. Leider fehlt uns bisher das Feedback, wie hoch der Nutzungsanteil bei der Webbuchung tatsächlich ist. Wir gehen jedoch davon aus, dass wir zumindest einem kleinen Prozentsatz unserer Fahrgäste eine gute Alternative bieten.

Das G-Mobil wurde jetzt zwei Jahre lang durch das „mobil.NRW Modellvorhaben innovativer ÖPNV im ländlichen Raum gefördert. Wie geht es zukünftig weiter?

Die Förderung des G-Mobils endet zum 31.12.2023, deshalb hat uns die Frage schon länger beschäftigt, wie es in Zukunft weitergeht. Anders als bei Zusatzangeboten, wie man sie in vielen Regionen kennt, hat das G-Mobil als primärer ÖPNV eine ganz andere Bedeutung. Eine Rückkehr zum alten StadtBus-Modell wäre nicht ganz einfach gewesen. Umso mehr freuen wir uns, dass seit kurzem der Beschluss vorliegt, das G-Mobil nach Auslaufen der Förderung fest als Nachfolger des liniengebundenen Stadtbusses zu etablieren. Das ist ein großer Erfolg und auch ein wichtiges Zeichen, dass On-Demand-Verkehre tatsächlich ein wichtiger Baustein der Verkehrswende sein können. 

Womit wir selbst nicht gerechnet haben, ist dass es bei der Entscheidungsfindung ausschließlich um die Frage nach dem „wie“ und nicht nach dem „ob“ ging. Für keinen der Entscheidungsträger stand die Option im Raum, vom On-Demand- System abzurücken. Letztendlich wird das G-Mobil unverändert fortgeführt, langfristig ist sogar eine potentielle Ausweitung im Gespräch.

 

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