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13. Feb 2019
/ Deutschland
NACHGEFRAGT bei Kerstin Stark
Kerstin Stark ist Wissenschaftlerin am Institut für Verkehrsforschung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR).

Ihre Forschungsschwerpunkte betreffen das automatisierte und vernetzte Fahren im Hinblick auf Wirkungen auf das Verkehrssystem, Anwendungsfälle im öffentlichen Verkehr und Akzeptanz neuer Technologien und Mobilitätskonzepte. Sie hat einen Magister in Soziologie, Politikwissenschaft und Philosophie an der Universität Jena erlangt und forschte vor ihrer Tätigkeit am DLR mit einem Promotionsstipendium der Heinrich-Böll-Stiftung zu Mobilitätsbenachteiligung und den Anforderungen an eine soziale und ökologische Transformation im Verkehrsbereich.

In Ihren Studien beschäftigen Sie sich vor allem mit den verkehrlichen Auswirkungen und der gesellschaftlichen Akzeptanz des automatisierten Fahrens. Es fällt immer wieder auf, dass die Begriffe häufig synonym verwendet werden. Wie würden Sie die Unterschiede zwischen den Technologien beschreiben?

Ich würde nicht von verschiedenen Technologien sprechen, sondern von einer unterschiedlichen Betrachtungsebene. Der Begriff der Automatisierung bezieht sich auf den Prozess, an dessen Ende das autonome, bzw. vollautomatisierte Fahren steht, das heißt das selbstständige Fahren eines Fahrzeugs ohne menschliche Steuerung und Überwachung sowie in allen Situationen. Zugrunde gelegt wird meist ein Schema mit fünf oder sechs Automatisierungsstufen (einschließlich der Stufe 0), die den Weg von einer schrittweisen Automatisierung mit Hilfe von Assistenzsystemen, welche immer mehr Fahraufgaben übernehmen, beschreiben. Ein zentrales Kriterium für Autonomie beim Privat-Pkw wäre das Nicht-Vorhandensein eines Lenkrads. Von Hochautomatisierung ist die Rede, wenn Fahrzeuge nur in bestimmten Anwendungsfällen, z.B. auf der Autobahn oder zum Parken, ohne menschliches Eingreifen zurechtkommen, aber etwa im komplexen Stadtverkehr weiterhin von einem Menschen gesteuert bzw. überwacht werden. In der Forschung ist der Begriff der Autonomie allerdings etwas umstritten, da er suggeriert, dass die Fahrzeuge vollständig alles selbst machen und entscheiden müssten, d.h. auch ohne Informationen von außen und die Vernetzung mit anderen Fahrzeugen. Mit dem Begriff des automatisierten Fahrens ist man also auf der sicheren Seite.

Ziel sollte sein, es den Menschen leicht und attraktiv zu machen, die Angebote des öffentlichen Verkehrs im Nah- und Fernverkehr Städte- und Bundeslandgrenzen übergreifend zu nutzen und bequem zwischen verschiedenen Verkehrsmitteln zu wechseln.

Wie stehen Sie zum Einsatz von autonomen Fahrzeugen im ÖPNV?

Für den Einsatz im öffentlichen Verkehr auf der Straße sowie der Schiene sehe ich großes Potenzial. Gerade in den städtischen Randlagen, im suburbanen und ländlichen Raum. Das ausgesprochene politische Ziel insbesondere der großen Kommunen ist die Verringerung des motorisierten Individualverkehrs zu Gunsten einer Verlagerung auf den Umweltverbund, also neben Fahrrad- und Fußverkehr vor allem auf den ÖV. Mithilfe der Automatisierung können Betreiber hier typische Schwachstellen adressieren. Sie können flexiblere Angebote gerade zur Feinerschließung auf der so genannten ersten und letzten Meile anbieten, sowie in Gebieten mit geringer Nachfrage oder in den Randzeiten ihr Angebot deutlich ausdehnen. Allein mit der Automatisierung ist es freilich nicht getan. Entscheidend sind auch rechtliche Reformen, ein Struktur- sowie auch ein Mentalitätswandel bei den Betreibern. Ziel sollte sein, es den Menschen leicht und attraktiv zu machen, die Angebote des öffentlichen Verkehrs im Nah- und Fernverkehr Städte- und Bundeslandgrenzen übergreifend zu nutzen und bequem zwischen verschiedenen Verkehrsmitteln zu wechseln. Ein Kollege an einer anderen Einrichtung, Christian Scherf, hat zum Scheitern von Mobilitätskarten – d.h. integrierten Mobilitätsprodukten mit mindestens einem weiteren Mobilitätsangebot neben dem ÖPNV – in Deutschland promoviert. Wie er es neulich auf einem Vortrag ausdrückte: „Kundenbindung ist etwas, das der ÖPNV noch lernen muss“. Dies ist aber nicht zuletzt vor dem Hintergrund ihrer besonderen Stellung als Erbringer einer Leistung zur Daseinsvorsorge zu sehen, mit der eine bestimmte Anreizstruktur und Betriebslogik einhergeht. Es gibt aber auch sehr zukunftsgewandte Verkehrsunternehmen, die sich proaktiv und engagiert mit neuen Mobilitätsangeboten befassen und diese ausprobieren. Aus eigener Erfahrung in der Zusammenarbeit kann ich z.B. die Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) nennen. Vorsicht ist aber geboten, dass ÖV-Anbieter über das Streben nach Innovation und Wettbewerbsfähigkeit nicht ihr Kerngeschäft vernachlässigen. Sie sollten weiterhin die Verkehrsnachfrage bündeln sowie einen kostengünstigen Zugang zu Mobilität für alle Bevölkerungsgruppen bieten.

Inwiefern ist es möglich ein Gleichgewicht zwischen nachhaltiger Mobilität und sozialer Gerechtigkeit herzustellen? Worauf sollte man bei der Integration von autonomen Mobilitätslösungen in den ÖPNV ihrer Meinung nach mehr Wert legen?

Grundsätzlich sehe ich keinen Widerspruch zwischen ökologisch nachhaltiger und sozial gerechter Mobilität. Sie kann über die konsequente Förderung des Umweltverbunds, von ÖV, Rad- und Fußverkehr und zwar in der Fläche und nicht nur im Innenstadtbereich, erreicht werden. Schwierig zu vereinbaren mit Nachhaltigkeit ist meiner Ansicht nach hingegen eine Zunahme individueller motorisierter Angebote.

Wie ich oben schon angerissen habe, sollte der Fokus beim ÖPNV darauf liegen, eine umweltfreundliche und sozialverträgliche Alternative zum motorisierten Individualverkehr zu bieten und eine größere Anzahl von Personen mit ähnlichen Start- und Zielorten in einem Gefäß zusammenzubringen und diesen eine weitgehend bedingungslose und kostengünstige Beförderung zu ermöglichen. Mit den Mitteln der Automatisierung und Digitalisierung sollte dieses Grundangebot weiter verbessert werden. Gerade auch neue Angebote wie z.B. flexible Tür-zu-Tür-Angebote nach dem Vorbild von Uber, Moia, u.ä. sollten diesem Ziel verpflichtet sein. Sie sollten etwa nicht rund um die Uhr und in Gebieten mit bereits gut ausgebauter ÖV-Infrastruktur eingeführt werden, während die Pendlerin aus der Vorstadt immer noch drei Kilometer zur S-Bahnstation hat, die sie mit einem Bus zurücklegen muss, der alle 30 Minuten zwischen sieben und 19 Uhr fährt.

Die Menschen von ganz jung bis alt sollen sich frei und sicher im öffentlichen Raum bewegen und schadstofffreie Luft atmen können. Das private Auto in seiner heutigen Funktion, Nutzung und Verbreitung ist nicht Teil dieser Vision.

Wie würden Sie ihre Zukunftsvision von Mobilität beschreiben? Und welche Rolle spielt dabei noch das eigene Auto?

Meine Vision für die künftige Mobilität ist eng verbunden mit der Vision für künftiges Wohnen und Arbeiten. Für mich sind kurze Wege im Alltag ein erstrebenswertes Leitbild für die Stadt- und Verkehrsplanung. Die Alltagswege sollen bequem und einfach mit dem Fahrrad oder zu Fuß zurückgelegt werden können. Für die verschiedenen Lebenslagen und Gelegenheiten soll ein breites Angebot von flexiblen und geteilten Mobilitätsangeboten zur Verfügung stehen. Die Menschen von ganz jung bis alt sollen sich frei und sicher im öffentlichen Raum bewegen und schadstofffreie Luft atmen können. Das private Auto in seiner heutigen Funktion, Nutzung und Verbreitung ist nicht Teil dieser Vision. In Bezug auf die künftige Arbeit sehe ich eine entzerrte Verkehrsnachfrage dank dem Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien sowie reformierten Arbeitsanforderungen mit kürzeren oder zumindest flexibleren Arbeitszeiten. Damit unterscheidet sich meine Vision von dem Bild, das häufig im Zusammenhang des automatisierten Fahrens entworfen wird: Menschen in autonomen Gondeln, für die räumliche Entfernungen keine Rolle mehr spielen und die deutlich längere Fahrzeiten in Kauf nehmen, weil sie alles Mögliche während der Fahrt erledigen können.

Bild (alle Rechte vorbehalten): Kerstin Stark

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